
Glücklicherweise musste ich erst einen anderen Text schreiben, Essen kochen, die Lieblingshausziege zum Schwimmtraining fahren und einkaufen. Mir blieb also genügend Zeit, um über diesen schnellen Reflex nachzudenken, in dem ich eifrig beteuern wollte, wie gesund ich doch morgens, mittags und abends esse und lebe. Aber was zum Kuckuck hat eigentlich Bloggen mit gesundem oder ungesundem Leben zu tun?
Nichts, möchte ich nach meinem zweiten, etwas nachdenklicheren Blick meinen. Bloggen hat mit dem persönlichen Lebensstil so viel zu tun, wie zu viel Lesen mit schlechten Augen oder zu viel Selbstbefriedigung mit…
Ich habe den Verdacht, Bloggen macht einfach zu viel Spaß. Und alles, was zu viel Spaß macht, ist per se verdächtig, es könnte ungesund sein. Spaß haben und gesund sein, das geht nicht. Wer Spaß hat, der muss sich zur Strafe anderweitig kasteien, damit der Spaß nicht überhand nimmt.
Die protestantische Arbeitsethik ist allerdings skeptisch, wenn es darum geht, dass Zeit für Spaß vertrödelt wird. Das geht doch nicht. Mit dieser Zeit ließe sich sicherlich etwas sinnvolleres, nützlicheres, produktiveres anstellen, als ausgerechnet einen Blog zu schreiben. Echtjetzmal. Doch wer wie Bronnie Ware Menschen befragt, die am Ende ihres Lebens angekommen sind, der stellt fest, dass diese bedauern, dass sie nicht mehr Zeit vertrödelt haben:
1. Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mir im Leben stets treu zu sein und nicht das Leben zu führen, das andere von mir erwarten.
Das gilt – zurück zum Thema – auch für die Gesundheit. Ein gesundes Maß an Unvernunft ist immer gut. Wenn ich abends Appetit auf eine Packung Schaumküsse habe, statt an Möhren zu knabbern, dann mache ich das. So oft kommt das nicht vor (und das soll keine Entschuldigung dafür sein), denn dann ist der Appetit auf diesen Süßkram gestillt und gibt erst einmal Ruhe. Falls ich kein Geld für neue Klamotten ausgeben möchte, weil ich in die Hosen nicht mehr hineinpasse, werde ich schon darauf achten, dass es nicht ständig vorkommt. Und wenn doch? Dann verdient eben die Kleidungsindustrie.
2. Ich wünschte, ich hätte nicht soviel gearbeitet.
Dann bin ich ja beim Bloggen genau richtig. Es macht einfach Vergnügen. Sonst könnte ich es ja auch lassen.
3. Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meine Gefühle auszudrücken.
Deswegen war es gut, dass zwischen dem ersten Impuls (jadoch, klar, ich ernähre mich totaaal gesund) und dem tatsächlich geschriebenen Text etwas Zeit lag. Reflexion ist hier das Zauberwort: Ich höre auf mich selbst, denke nach, spüre nach, was Dinge und auch manchmal Menschen mit mir machen wollen. Und lehne ab, wenn’s nicht zu mir passt. Oder ich sage freudig zu. Hurra! Das wollte ich schon immer machen!
4. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit mit meinen Freunden verbracht.
Gut. Wenn ich mit Freunden unterwegs bin, kann ich nicht bloggen. Wenn ich wandern gehe, kann ich auch nicht bloggen. Beides mache ich sehr gerne. Aber ich blogge auf meinem Blog 111 Sachen in Franken machen über das Wandern, über das Unterwegs-sein und lasse auf diese Weise viele daran teilhaben, die gerade nicht mit mir wandern kommen konnten. Entweder, weil sie keine Zeit hatten oder weil sie zu weit weg wohnen.
5. Ich wünschte, ich hätte es zugelassen, glücklich zu sein.
Den Satz von Andre Gide: „Wie gut ginge es mir ohne all die Leute, die mir weismachen wollen, es gehe mir schlecht!“hat mir mal mein Onkel ins Poesiealbum geschrieben. Er hatte Recht. Ich brauche niemanden um Erlaubnis zu fragen, ob ich es mir gut gehen lassen darf. Ich brauche auch niemanden, der mir erlaubt, dass es mir gut geht. Mir geht es gut und ich genieße es. Ich liebe den Moment, den Spatz, der sich draußen in das Vogelhäuschen setzt und nachguckt, ob er etwas findet. Ich liebe es, einfach in Franken durch die Täler zu streifen, diese zu entdecken und dabei Zeit zu vertrödeln und zu verlieren.
Wenn Du es eilig hast – mach einen Umweg.
Deswegen ist jetzt dieser Blogbeitrag zur Gesundheit des Bloggens anders geworden, als ich zuerst gedacht habe. Was meint Ihr dazu?