Tagebuchbloggen vom 5. September

Grundsätzlich kann ich sagen: Es läuft. Das Aufstehen war wie immer früh, aber es war gut so. Damit blieb noch genügend Zeit, Dinge für morgen zu sortieren und im Flur schon parat zu stellen. Nach Katze versorgen und Kaffee trinken habe ich noch drei Äpfel in den Rucksack gepackt, ein kleines Messer dazu und was zu trinken, bin zum Bahnhof gefahren und in den Zug gestiegen. In E. stieg N. dazu, wir fuhren bis N, wechselten dort in die U-Bahn, fuhren acht Stationen, und wechselten in den nächsten Zug. Ginge es nach der Fahrtstrecke, wäre eine Fahrt mit dem Auto sicherlich sinnvoller gewesen, aber wozu? Ich hatte die Freifahrkarte und wir hatten Zeit, also warum nicht Dinge machen, die an und für sich Unfug waren?

Da stand doch glatt eine Lieblingshausziege auf dem Zaunpfosten.

Während die anderen Fahrgäste im Zug sitzen blieben, stiegen wir an einer Haltestelle aus und suchten unseren dort noch unmarkierten Weg in einer Sackgasse. Hm. Wollte es tatsächlich regnen? Das hatte ich irgendwie überhaupt nicht eingeplant und somit die Regenjacke zu Hause vergessen. Bis wir in K. ankamen, fielen glücklicherweise nur ein paar Tropfen vom Himmel, in der Kirche zündete N. Kerzen an, eine für sich, andere für die Familie und eine für mich, fand, ich hätte es nötig. Und als wir wieder ins Freie kamen, hatte sich der Regen ebenso verzogen, wie die Wolken. Prima. Ein älterer Herr wollte wissen, ob der Berg ganz hinten das Walberla sein könnte. Ich war mir nicht sicher, fand jedoch, dass wir eigentlich dafür zu weit entfernt wären. Weil er auf seiner Ansicht beharrte, habe ich geantwortet: Ach, wenn das für Sie das Walberla sein soll, dann ist es das eben. Seine Frau lachte los und er lachte mit. Läuft.

Aus K. heraus wählten wir zunächst die verkehrte Richtung, fragten zwei nette Jungs, die wiesen uns den richtigen Weg und ab dann war die Beschilderung einfach nur perfekt, im Gegensatz zur etwas kompliziert ausgedrückten Wegbeschreibung der Tour: „Nach dem Spielplatz dann schräg nach links über die rechter Hand hinunter Richtung D. führende Straße setzen wir in der Promenade unsere Tour fort“. Oder verständlicher: Quert die Straße und geht den Weg gegenüber in der gleichen Richtung weiter.

Die Panoramarunde war großartig, der Blick weit, die Bienchen unterwegs. Irgendwie schien mir die Wegbeschreibung etwas länger, aber das war nicht weiter schlimm, wir fanden die Keller, bekamen dort einen Cappuccino und schwätzten, bis uns irgendwann  einfiel, dass wir ja noch weiter müssen. Der Rest des Weges war ebenso großartig und abwechslungsreich, durch Fichtenwald mit Fichtennadelschaumbadduft, eine Sandsteinschlucht, an einer Grenzbuche vorbei zum Weiher, in dem offensichtlich Biber wohnen.

Zum Bahnhof nach H. war es dann nicht mehr weit, der nächste Zug nach N. kam auch bald und die U-Bahn fuhr uns ebenso retour wie dann der nächste Zug.

Jetzt packe ich noch für morgen das Auto voll und setze einen Hefeteig an. Die Drachenzungen sind bereits fertig und warten im Kühlschrank. Das wird ebenfalls ein spannender Tag.

Was heute schön war:

  • wie Dinge plötzlich gut ineinander greifen. Es läuft und ich bin einfach nur dankbar dafür.
  • Die Wanderung mit N. und unsere Schwätzereien, die von Che Guevara über das Schreiben bis hin zu Sanskrit reichten.
  • Das wunderbare Wetter, das sich glücklicherweise besonnen hat und die (vergessene) Regenjacke unnötig bleiben ließ.

Und wer wissen möchte, was die anderen Tagebuchblogger an diesem Tag so gemacht haben, nun, der guckt einfach bei Frau Brüllen nach.

Rites de passage – zu Hause

Wo ist dein Zuhause?

Ist es mein Zuhause, wenn ich Unterschlupf und Wärme finde,
den Schlüssel in der Hand halte?
Zuhause ist dort,
wo sich Geborgenheit
wie eine warme Decke um mich legt.
Ist der Ort,
an dem ich in mir zu Hause bin,
an dem das Herz ruhiger wird
und Hände durch Haare streifen.
Mein Zuhause ist dort,
wo die Liebe wohnt,
die Wärme
und die Zuversicht.
Dort, wo ich dich umarmen kann,
selbst dann,
wenn du nicht da bist.

Was heute gut war:

  • Die Wanderung durch den Regen, fünf Stunden lang
  • Die Heimkehr und die trockenen Klamotten
  • Das Feuer im Ofen

Rites de passage – Wurzeln ziehen

Ich mache mir meine Wirklichkeit selbst. Das, was bei Pippi Langstrumpf noch nach Spielerei klingt, nach Beliebigkeit, ist realer, als es auf den ersten Blick scheint. Ich schaffe mir meine Wirklichkeit, schaffe sie mit meinen Gedanken, Wünschen und Träumen. Dass gelegentlich etwas real ist, spüre ich spätestens dann, wenn ich meinen Zeh am Tischbein oder die Hüfte am Tisch. Der blaue Fleck unter der Haut zeugt unübersehbar davon, dass es neben meiner inneren Wirklichkeit noch eine reale äußere Welt gibt.

In dieser äußeren Welt habe ich jetzt etwas aus- und umgeräumt, heute noch die Vorhänge gebügelt und aufgehängt. Jetzt ist es freundlich, heimelig, es ist ein Raum geworden, in dem ich gerne bin. Fehlt nur noch ein langes Kabel, dann ist alles perfekt.

Draußen im Garten habe ich wenigstens zwei Quadratmeter von Unkraut befreit. Der Spinat, nun, der wollte irgendwie nicht. Also ist er jetzt auch weg.

Was heute gut war:

  • Ich habe den Schreiner bei seiner Arbeit fotografiert. Da flogen die Späne…
  • Der neue Beitrag für meine Kochkolumne ist online: Schmeckt fei…
  • Ich habe einen guten Ort zum Schreiben gefunden.

Rites de passage – weitergehen

So. Da habe ich heute morgen alles ins Auto gepackt, die mir einst anvertrauten Katzen schnöde zurückgelassen und bin bis nach Sommerhausen an den Main gefahren. Dort wurden wir Instagramer vom zweiten Bürgermeister und der Chefin der Touristinfo durch den Ort geführt, bekamen Dinge erzählt und durften – haptschi – bis hoch auf den Kirchturm steigen und ihm bis unter die Dachhaube gucken.

Anschließend hat sich mein Katzmatz gefreut, dass ich wieder zu Hause war.

Und U. hatte zum Geburtstag eingeladen. Daher ist es heute leicht, drei schöne Dinge zu finden:

  • Ein wunderbarer Gang durch Sommerhausen, bis hoch zum Weinberg mit der Schnecke und dem Terroir F, abschließend gab es einen Imbiss.
  • Die Freude der Katze: Mannmannmann, war die schmusig.
  • Die Geburtstagsfeier bei U.

Rites de passage – fast auf dem Heimweg

Da habe ich noch eine andere Freundin besucht, dort übernachtet und als ich morgens zurückkam, waren die Katzenbesitzer schon aus dem Urlaub zurückgekehrt. Junge Leute, ts, die fahren eben mal nachts durch und etwas mehr als tausend Kilometer sind doch nix, oder?

Ich habe jedenfalls meine Sachen schon gepackt, das meiste ist bereits im Auto. Morgen früh fahre ich ziemlich früh los, ich will schließlich pünktlich in Sommerhausen sein.

Der August

Nun hebt das Jahr die Sense hoch
und mäht die Sommertage wie ein Bauer.
Wer sät, muß mähen.
Und wer mäht, muß säen.
Nichts bleibt, mein Herz. Und alles ist von Dauer.

Stockrosen stehen hinterm Zaun
in ihren alten, brüchigseidnen Trachten.
Die Sonnenblumen, üppig, blond und braun,
mit Schleiern vorm Gesicht, schaun aus wie Frau’n,
die eine Reise in die Hauptstadt machten.

Wann reisten sie? Bei Tage kaum.
Stets leuchteten sie golden am Stakete.
Wann reisten sie? Vielleicht im Traum?
Nachts, als der Duft vom Lindenbaum
an ihnen abschiedssüß vorüberwehte?

In Büchern liest man groß und breit,
selbst das Unendliche sei nicht unendlich.
Man dreht und wendet Raum und Zeit.
Man ist gescheiter als gescheit –
das Unverständliche bleibt unverständlich.

Ein Erntewagen schwankt durchs Feld.
Im Garten riecht’s nach Minze und Kamille.
Man sieht die Hitze. Und man hört die Stille.
Wie klein ist heut die ganze Welt!
Wie groß und grenzenlos ist die Idylle …

Nichts bleibt, mein Herz. Bald sagt der Tag Gutnacht.
Sternschnuppen fallen dann, silbern und sacht,
ins Irgendwo, wie Tränen ohne Trauer.
Dann wünsche Deinen Wunsch, doch gib gut acht!
Nichts bleibt, mein Herz. Und alles ist von Dauer.

(Erich Kästner)

Lasst uns miteinander reden, statt übereinander zu urteilen.

Lasst uns miteinander über alle Fehler lachen, sie sind nicht wichtig.

Die Zeit, die uns gegeben, ist viel zu schnell vorbei…

Was heute schön war:

  • dass die Urlauber gut und gesund zurückgekehrt sind
  • dass eine langjährige Freundschaft immer noch besteht und hält…
  • dass ich heute das nächste Essen für die Kolumne gekocht und fotografiert habe.

kurz und knapp

Heute habe ich meine Arbeit fix erledigt und bin zu einer Freundin gefahren. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, und es war einfach großartig. Daher nur kurz und knapp:

Was heute schön war:

  • Die Fahrt über lang vertraute Straßen. Ich habe bestimmt bis über beide Ohren gegrinst und mich richtig wohl gefühlt.
  • Die Vertrautheit, die auch nach acht Jahren sofort wieder da war.
  • Das indische Essen beim Italiener. Den Inder kannte ich auch noch…

Rites de passage – ziehende Tage

Die Tage ziehen wie die Autos auf der Straße vorbei, blinken in der Ferne auf, kommen allmählich näher, fahren vorbei – und entschwinden auf der anderen Seite. Während jedoch Autos ein Ziel haben, schließlich sitzt jemand in ihnen, lenkt, gibt Gas, bremst, fährt von irgendwo nach anderswo, haben die Tage kein Ziel, sie vergehen einfach.

Es gilt, einen Sinn zu finden. Warum mache ich das alles überhaupt? Ja, warum müssen wir Menschen als Menschen einen Sinn im Leben finden? Wir könnten doch einfach in den Tag hineinleben, so ähnlich wie es die Tierchen machen, die sich was zum Essen fangen, sich gegenseitig lausen und kraulen, und überhaupt die Tage einfach ziehen lassen. Ihnen ist – wenigstens fast – alles gleich-gültig.

 

Wer behauptet, Sinn des Lebens sei es, Dinge anzuhäufen, vergisst, dass die Dinge als solche keine Bedeutung haben, sie bekommen nur dann eine, wenn wir ihnen eine geben, welche es auch immer ist.

Ich hatte fast vergessen, wie erholsam Provinz sein kann. Alles geht einen Tacken langsamer, es sind deutlich weniger Menschen unterwegs. Keiner staunt, keiner sieht sich um, keiner fotografiert irgendwas. Hier gibt es ja einfach nichts, es ist gut so, wie es ist, von einer ausgesuchten Belanglosigkeit. Und genau das macht den Reiz aus. Ich sitze herum, gucke zu, was andere machen, gelegentlich guckt auch jemand zu mir und ich habe das Gefühl, gleich könnte jemand kommen, den ich noch von früher kennen könnte.

Auf dem Rückweg habe ich erst noch einen kleinen Umweg gemacht, Geld ausgegeben (das Ergebnis auf Twitter geteilt ;-)) und bin Straßenbahn gefahren, erst gemütlich in die eine Richtung, dann zurück, in eine andere Richtung und erst beim dritten Mal war es genug, jetzt nahm ich die Bahn, die in die richtige Richtung fuhr

Es ist entspannend, so ohne Ziel unterwegs. Und plötzlich meldet sich die lang vermisste Konzentration zurück.

Rites de passage – verschlossene Türen

Es gibt Türen, die sind zwar fest verschlossen, doch weil es noch einen Schlüssel zu ihnen gibt, lassen sie sich öffnen.

Morgen ist eine Beerdigung.

Diese Tür ist endgültig zu. Obwohl ich mit diesem Menschen schon lange nichts mehr zu tun habe, wir uns nur gelegentlich über den Weg liefen, fühlt es sich seltsam an, nicht nur, weil er gerade einmal zwei Jahre älter war.

Draußen ist es heute ein wenig frisch, heute morgen hat es geregnet. Damit bleibt mir das Gießen erspart. Die Innensicht ist so unterschiedlich von der Außensicht, das kannste dir gar nicht ausdenken…

Was sollen denn die Leute denken, hieß es früher. Was spielt es eigentlich für eine Rolle, wie mich die anderen sehen? Ich kann deren Sicht auf mich nicht selbst wahrnehmen, noch nicht einmal erfragen, bei den meisten Menschen jedenfalls. Schließlich spricht darüber niemand, oder doch, nur dann, wenn der Betreffende nicht dabei ist. Vor-Urteile zum verurteilen kommen dabei heraus. Es wird nur das beredet, was alles am Anderen missfällt, nicht etwa das, was jemand gut kann.

Der mystische Pfad ist die Reise der Seele von der Trennung zurück zur Vereinigung. Auf der Reise nach Hause sind wir auf der Suche nach unserer inneren Essenz, der kostbaren Perle, die in unserem Herzen verborgen liegt. Sagt Rumi. Na dann.

Rites de passage – Fassaden

Wir erhalten die alten Dinge, nennen sie Erbe, nennen sie Denkmal, denken aber nicht, warum diese Schönheit betörend wirkt, bauen Neues, glatte Fassaden, in der Hoffnung, dass an ihnen die Angst abrutscht, sie sich abwischen lässt. In ihnen wird die Wurzellosigkeit sichtbar, es fehlt das Verwurzelt-Sein, das Gegenüber, der Halt.

Ich bin dort, wo ich einst Heimat fand, für Jahre und es ist immer noch vertraut. Rechts und links neben den Straßen schmiegen sich die Hügel wie schlafende Tiere, die Räder des Autos erkennen jede altvertraute Bodenwelle, nehmen die immer noch gewohnten Kurven und im Haus am Stadtrand begrüßen mich die Katzen, als sei ich hier zu Haus.

Jetzt bin ich für zwei Wochen ihr Dosenöffner, Tablettengeber, Ohrmassierer und hoffe, dass sie bei der Wärme ein anderes Schlafplätzchen finden, nicht an meiner Seite liegen, bei 20 Grad des Nachts brauche ich noch kein Rheumafell im Rücken.

Was sonst?

Wer bestimmt eigentlich die Spielregeln, das Spiel, das, was gerade gilt und wenn ich Glück habe, weiß ich sogar, welches es ist. Die Regeln jedoch kenne ich nicht, ich taste mich vorwärts, stolpernd, irrend, das ganze Leben ist ein ständiger Versuch, ein Trial-and-Error. Woher nehmen die anderen die Sicherheit, sie wüssten, wer sie sind? Ich weiß es nicht – und kenne mich selbst nur annähernd, asymptotisch. Vielleicht ist mir daher die Mathematik lieber, die Regeln sind klar und führen zu eindeutigen Ergebnissen, meistens jedenfalls. Zu glauben, ich wüsste etwas vom Anderen, oder von mir ist ein Irrtum, und doch ist jeden Tag aufs Neue der Versuch. Interpretierend unterwegs lese ich die Zeichen, die Signifikate und Signifikanten, doch dort, wo ich glaube, ich hätte sie entziffert, ändern sie sich, wechseln die Farben, changieren. Heute gilt nicht mehr, was gestern noch sicher war und morgen ist es wieder anders.